Rede anlässlich der Eröffnung der 4. Bewerbungsrunde für die nationale Liste des immateriellen Kulturerbes in Wolkenstein
Wenn sich beim Beobachten eines jagendes Greifvogels mein Herz öffnet, dann teile ich als Falkner einen über 4.000 Jahre alten Anblick.
Geschwindigkeit, Kraft und Geschicklichkeit der Greife und ein Gefühl von Unabhängigkeit, haben Jäger in den Steppen Zentralasiens damals so stark beeindruckt, dass sie sich diese Vögel zu Eigen machten. Erst durch die Völkerwanderung im 4. Jh. kam die Beizjagd nach Europa. Beizjagd, meint die Kunst mit einem Vogel zu jagen – wie es Kaiser Friedrich II. von Hohenstauffen im 13. Jh. ausdrückte. In einer Zeit in der die Ausübung derselben längst nur noch dem Adel gestattet war. Als Statussymbol für die eigene Macht fanden sich Falken und Adler schnell in vielen Familienwappen wieder. Mit dem Aufkommen der Parforcejagd und der Feuerwaffen verlor die Beizjagd an Bedeutung und erlebte ihre Renaissance erst wieder zu Beginn des 20. Jh. in Deutschland. Der 1921 in Berlin gegründete „Deutsche Falkenorden“ feierte sein Gründungsfest zur ersten Ordensversammlung 1923 im sächsischen Leipzig. Heute ist der Deutsche Falkenorden der älteste Falknerverband der Welt und der größte in Deutschland. Im Landesverband Sachsen gibt es derzeit 43 Mitglieder.
Bis heute ist sich diese Kulturform in ihren Grundzügen treu geblieben und wird nach wie vor von Generation zu Generation weitergegeben. So basiert die Falknerei auf einer einzigartigen Mensch-Tier-Beziehung, bei der der Greifvogel im Mittelpunkt steht und aufgrund positiver Motivation mit dem Falkner zusammenarbeitet. Das heißt, der Greifvogel arbeitet nur aus einem Grund mit dem Menschen: Aus Bequemlichkeit! Ich zumindest kann das ja gut nachempfinden. Denn ein Greifvogel wirtschaftet hoch effektiv in Bezug auf seinen Energiehaushalt. Jede Art von Energieverschwendung wird vermieden. Der Greifvogel kennt im Wesentlichen nur drei Beweggründe: Nahrungsaufnahme, Fortpflanzung und soziale Interaktion (Revierverteidigung, Flucht u. ä.). In der Falknerei lernt der Greifvogel allein über das Belohnungsprinzip sehr schnell, dass seine Bedürfnisse nach Sättigung und Wohlfühlverhalten in der Zusammenarbeit mit dem Falkner erfolgreich und vertrauensvoll sind. Aus dieser Erfahrung heraus kehrt der Beizvogel nach einem erfolglosen Jagdflug auch gerne auf den Handschuh des Falkners zurück.
Die gemeinsame Jagd, die Beizjagd, ist eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Falkner und Beizvogel, bei der der Greifvogel seinem natürlichen Verhalten des Beutemachens folgt. Als ökologisch selektive und störungsarme Jagdausübung ist somit auch eine Bejagung in bewohnten oder befriedeten Bezirken möglich. Doch auch bei der Vergrämung von Tauben und Krähen können Falkner mit ihren Beizvögeln, als natürliche Beutegreifer nützliche Dienste leisten oder an Flughäfen zur Sicherheit des Flugverkehrs und Vermeidung von Vogelschlag an Flugzeugen zum Einsatz kommen.
Hinzu kommt, dass viele Falknerinnen und Falkner sich nicht nur für die Ausübung der Beizjagd interessieren, sondern generell von Greifvögeln zutiefst fasziniert sind. Aufgrund dieser Begeisterung engagieren sich viele Falkner für den Greifvogelschutz oder für die Artenvielfalt in unserer Kulturlandschaft und erbringen z.T. einen sehr hohen ehrenamtlichen Zeit- und Geldaufwand, um die Greifvögel, die Biodiversität und demzufolge auch die Falknerei zu unterstützen.
Ein Paradebeispiel ist die Wiederansiedlung des Wanderfalken in Deutschland, der hier in den 1970iger Jahren nahezu ausgestorben war. Mit dem in der Nachzucht erworbenen Know-How, konnten Falkner des DFO innerhalb von 34 Jahren bis 2010 1.289 junge Wanderfalken in ganz Deutschland erfolgreich auswildern. In Sachsen wurde Ende der 80iger Jahren zunächst im Elbsandsteingebirge mit der Wiederansiedlung begonnen. Ich bin sehr froh darüber, dass wir in Sachsen wieder einen stabilen Bestand von ca. 39 Brutpaaren vermerken können. Heute sind die Falkner über die International Association for Falconry (IAF) weltweit miteinander vernetzt und können in dieser Gemeinschaft lokale Projekte unterstützen – wie z.B. das Sakerfalken-Projekt in der Mongolei, das den Populationseinbrüchen bei dieser Art aktiv entgegenwirkt. Ein weiteres Steckenpferd der Falkner ist die Wiederrückführung rehabilitierter verunfallter Greifvögel in die Natur, bei der sich falknerische Trainingsmethoden bewährt haben, um ein Überleben der Tiere in freier Wildbahn zu gewährleisten. Dabei werden die Methoden stetig durch neue Trainingsmöglichkeiten der Technik unterstützt und weiterentwickelt.
Mit Anerkennung der deutschen Falknerei als immaterielles Kulturerbe der Menschheit durch die Bundesregierung (2014) und die Unesco (2016), erfahren auch Falknerinnen und Falkner in Sachsen eine bedeutungsvolle Wertschätzung für ihr Engagement im Greifvogelschutz und der Bewahrung dieser uralten Kulturform. Dieses jahrtausendealte Kulturgut ist ein Schatz an Wissen und Tradition für den wir Falkner nicht nur dankbar sind, sondern ihn auch gern teilen! Es bleibt zu hoffen, dass durch eine Wende der Agrarpolitik und unseres Konsumverhaltens die Artenvielfalt wieder zunimmt damit auch Ihre und meine Kinder diese naturverbundene Jagdart in Zukunft noch ausüben können.
Bei der anschließenden Demonstration des hiesigen Falkners Michael Löbel werden Sie vielleicht etwas bei sich beobachten oder entdecken können: Ein Staunen über die Anmut dieser faszinierenden Tiere!
Falknerei ist ansteckend – also passen Sie auf!
Leonhard Kindermann
Vors. DFO LV-Sachsen
29.03.2019, Wolkenstein