Ein bekehrter Harris und viele Fragen

 

Vor etwa 1 ½ Jahren stellte ich mir meinen ersten eigenen Vogel auf. Aufgrund meiner jagdlichen Voraussetzungen im Raum Leipzig entschied ich mich früh für einen Harristerzel wegen seines großen Beutespektrums. Es gab zwar einige Hasen und Fasane in dem mir zur Verfügung gestellten Revier, doch schienen Beizerfolge hier doch eher die Ausnahme zu werden. Und so setzte ich mir das Ziel meinen Harris auf Krähen einzujagen.

 

Dieses ursprüngliche Anliegen musste ich bereits im 1. Flug recht bald aufgeben aufgrund eines sicher naiven Anfängerfehlers. Ich hatte ihn nämlich gleich beim ersten Versuch auf einen ganzen Schwarm Rabenkrähen angeworfen, der sich auf einem Acker befand und uns zu Fuß erstaunlich nahe heranließ. Die Krähen wussten natürlich sich dem unsicheren Jungvogel gegenüber gehörigen Respekt zu verschaffen. Sodass der erste Jagdflug völlig irritiert auf eben diesem Acker endete. Mein Vogel, der bereits ganz unkonventionell den Namen "Winnetou" trug, schien sehr verängstigt angesichts des laut über ihm kreisenden Krähenschwarms. In den Monaten danach konnte ich es auch auf einzelne aus dem Auto heraus versuchen, aber mein "Winnetou" konnte sich dafür überhaupt nicht mehr begeistern. Er strich jedesmal auf den nächstgelegenen Ansitz zu und von der Krähe weg. So gab ich bald jede Hoffnung auf, dass das mit uns und den Krähen jemals noch etwas werden könnte. Stattdessen durchstreifte ich Anfang des nächsten Herbstes mein Revier auf der Suche nach Hase und Fasan. In dieser Zeit flog ich meinen Harris sowohl auf das Federspiel als auch den Hasenbalg. Zu meiner großen Überraschung kamen bis Jahresende 2 Hasen, eine Fasanenhenne und 3 Mäuse, die der Vollständigkeit halber hier mit erwähnt seien, zur Strecke. Zu Jahresbeginn erkrankte ich über mehrere Wochen, sodass auch eine Beizjagd für mich und Winnetou leider unmöglich war.

 

In der zweiten Februarferienwoche war nun mein Bruder ein paar Tage zu Besuch und so nahmen wir uns vor, es nochmal auf Krähe zu versuchen. In der Woche zuvor arbeitete ich ihn bereits auf zwei zu einem Federspiel zusammengebundenen Krähenflügel und belohnte ihn jedesmal mit einem vollen Kropf. Als wir dann den ersten Tag rausfuhren war er voll konzentriert und machte mehrmals Anstalten bereits bei Sichtkontakt aus der noch geschlossenen Schiebetür zu springen. Zwei Gelegenheiten in recht guter Entfernung hatten wir zumindest geglaubt. Beide Male waren die Krähen aber schneller, vielleicht auch aufgeschreckt durch das aufziehen der Schiebetür bei der Vorbeifahrt. Nach über einer Stunde Autofahrt gab es dann keine guten Chancen mehr. Der erste Tag endete somit auf dem Federspiel - aber hoch motiviert!

 

Am darauffolgenden versuchten wir es erneut, diesmal mit veränderter Strategie. Sobald Krähen am Straßenrand vor uns sichtbar wurden, öffnete ich schon die Tür. So konnten wir die Krähen noch mehr überraschen. "Winnetou" zeigte erfreulicherweise wieder hohe Jagdbereitschaft und siehe da, nach ca. einer halben Stunde Fahrt hatten wir ein Paar in einem Wohngebiet vor uns, direkt am Straßenrand. Ich warf meinen Harris durch die bereits geöffnete Schiebetür und mit kurzen aber harten Flügelschlägen band er eine der beiden in ca. 3m Höhe und kam auf einem ungenutzten Grundstück zu Boden. Wie sich dann herausstellte hatte er den Schwarzrock optimal am Kopf gegriffen, so dass für ihn an Verteidigung nicht mehr zu denken war. Die Freude über diesen Erfolg war bei uns sichtlich groß. Ich ließ ihn zur Motivationssteigerung und Belohnung vollends aufkröpfen, was seine Zeit dauerte. So war es nicht verwunderlich, dass schon bald Anwohner auf uns aufmerksam wurden.

 

Ich hatte erst Bedenken als ein Nachbar mit seiner Tochter (etwa 6/7 Jahre) auf uns zukam und neugierig fragten was wir da machten. Doch ich konnte noch gar nicht richtig zur Erklärung ausholen, als sie "Winnetou" auf der Krähe entdeckten. Die ersten Bemerkungen "Oh, Papa schau mal ein Adler" und "Der hat ja was gefangen" hörten sich beruhigender weise schon eher nach Interesse an. Nach ersten Erklärungen meinerseits holten sie dann auch noch die Mama hinzu. Und so unterhielten wir uns über die ganze Zeit während "Winnetou" seinen Kropf bis zum Ende füllte. Das erstaunliche daran waren für mich neben der unermesslichen Quelle an Fragen des Mädchens, dass die Mutter noch am selben Tag nach mir googelte und ihre Freude über unsere Begegnung in einem Kommentar auf unserer Website (das Auto war ja mit Werbung versehen) zusammenfasste. Diese Begebenheit machte mir ein weiteres Mal deutlich, dass es neben den Kritikern auch sehr viele Menschen gibt, die sich für die Falknerei und Greifvögel begeistern lassen. Eine Grundneugier ist nach meinen Erfahrungen in den meisten Fällen schon da, bei Kindern ohnehin.

 

So gab es für uns an diesem Abend eigentlich zwei Erfolge zu feiern. Zum einen mein geläuterter Harris, der seine erste Krähe zur Strecke trug und die erfreuliche Begegnung mit der jungen Familie. Alles in allem ein guter Beizerfolg.

 

Leonhard Kindermann, DFO-LV Sachsen

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