Die "Krälster"
Am Wochenende (04. bis 06.11.) hatte der Verband Deutscher Falkner seine Thüringentagung ausgerichtet. Da der VDF leider zu wenige Anhänger in Sachsen hat, sind wir bei den Thüringern eingegliedert worden und ich nehme jedes Jahr gerne an diesen hervorragend organisierten und auch noch mit Niederwild gesegneten Herbsttagungen teil.
Eigentlich war ich, da ich einen Wanderfalken fliege, bei der Falkengruppe eingeteilt. Als ich aber hörte, dass diesmal ein Sperber als Beizvogel dabei ist, bat ich den "Chef", mir hierbei die Teilnahme zu genehmigen, da ich selber jahrzehntelang diesen kleinen Greif flog und begierig auf eine Neuauflage war.
Meinen Wanderfalken hatte ich auf der Hohen Reck - natürlich unverhaubt - im Hotelzimmer zurückgelassen. Man hatte Regen gemeldet, aber der Vormittag war noch trocken und ruhig. Ich konnte als Beifahrer in Robbys Auto einsteigen. Er war gleich doppelt bewaffnet und hatte neben seinem Rotnackenshahin noch einen starken Harris-Hawk dabei. Der erste Flug des kleinen Falken war atemberaubend. Ich hatte schon öfter gute Flüge des Wanderfalken auf Krähen gesehen und auch selber eine zweistellige Anzahl der "Schwarzröcke" mit meinem Wanderfalken gebeizt. Aber dieser kleine Falke (ich habe Robby nicht gefragt, aber er bringt sicher keine 800g auf die Waage), flog einfach fantastisch. Immer wieder attackierte er die Krähen, die sich in die hohen Bäume retteten und von Robby mit der Rassel herausgeworfen wurden. Der Falke stand turmhoch über diesen Bäumen, kippte blitzschnell ab und machte auch beim Abtauchen noch vier bis fünf Flügelschläge. Endlich hatte er eine gepackt und ich schrie schon vor Erregung. Aber er hatte die Beute nur am Flügel und sie kam ihm wieder aus. Die Jagd entfernte sich zu den nächsten Bäumen und immer wieder sah ich den Falken, wie er Stoß auf Stoß vollführte. Dann kam er nicht wieder hoch und die anderen Krähen vollführten einen Höllenlärm: Er hatte Beute gemacht.
Nun war Ronny mit seinem Sperber an der Reihe. Es gab leider wenig günstige Gelegenheiten. Endlich sahen wir an einer Hecke ein paar Elstern. Ronny hatte seinen Vogel daran gewöhnt, ihn in die Hand zu nehmen und auf die Beute zu werfen. Ich hatte das selber vor allem auf Rebhühner praktiziert. Der kleine Vogel mit dem großen Herzen jagte ganz intensiv eine Elster an, die sich noch ebenso in die Dickung retten konnte. Wir trennten uns dann und Ronny hatte bis zum Abend noch zwei Elstern gebeizt.
Nun war Robbys Harris an der Reihe. Der Wüstenbussard jagt ja immer zusammen mit seinem Partner und es ist deshalb recht einfach, diese Partnerschaft zu übernehmen. Hinzu kommt der Vorteil, dass die Krähen diesen exotischen Vogel nicht kennen und nicht so panisch reagieren, wie beim Habicht. Freilich muss man nahe am Wild sein, denn der Bussard ist nun mal nicht für Verfolgungsflüge geeignet. Bald sahen wir nahe der Straße ein paar Krähen. Robby nahm seinen Harris auf die Faust und warf ihn aus dem Auto, als wir auf gleicher Höhe waren. Die erste Krähe für den Wüstenbussard. Das Wetter wurde leider immer regnerischer. Robby versuchte es noch einmal mit seinem Falken, der wie immer hervorragend auf die Rabenkrähen stieß. Leider ohne Erfolg. Mit dem Harris beizten wir trotz "Mistwetter" noch zwei Krähen, darunter eine abnorm gefärbte. Am Abend beim Schüsseltreiben, wohl auch unter Beihilfe alkoholischer Getränke, wurde die melanistische Rabenkrähe als "Krälster", also als Mischling zwischen Krähe und Elster deklariert. Sie war recht klein und hatte nur 478g, also etwa 100g weniger, als eine normale Rabenkrähe. Als ich sie am nächsten Tag untersuchte - sie war inzwischen trocken geworden - stellte ich fest, dass sie an den Hand- und Armschwingen Grimale hatte. Sie war also in der frühen Nestlingszeit ungenügend ernährt worden. Ob das mit zu dieser Anomalie beigetragen hat, ist freilich fraglich.
Klaus Richter, Schriftführer LV Sachsen